Wozu Demokratie?

cover-dfd-224Wozu Demokratie gut sein soll, kann sicherlich aus vielen verschiedenen Blickwinkeln diskutiert werden, – drei seien genannt:

1. Aus Sicht der „Staatsrechtslehre“

Das ist das Diskussionsfeld der Juristen und Politikwissenschaftler, auf dem sich bei Bedarf auch Politiker einfinden. Hier geht es um einen funktionierenden Staat. Tieferer Sinn ist nur selten zu verorten. Das Theoriegebäude soll nur in sich stimmig sein, und dazu braucht es einige Axiome, etwa was überhaupt ein Staat sei, wie er entsteht und wie er wieder aufgelöst werden kann. Aus diesem Blickwinkel kann man dann etwa behaupten, dass direkt-demokratische Elemente systematisch nicht ins Bundesrecht, wohl aber ins Länderrecht passen (z.B. Decker 2013). Staatsorgane und ihre Politik sind hier Selbstzweck zum Erhalt einer Ordnung.

2. Aus philosophischer Sicht

Dann hat Demokratie dem einzelnen Menschen zu dienen und ihn zu schützen, wie dies beispielhaft in Jean-Jacques Rousseaus „Gesellschaftsvertrag“ dargelegt ist. Die Vernunft der Mehrheit soll sich über die vielfältige Unvernunft des Einzelnen hinwegsetzen – oder einfacher: Demokratie hat dem ethisch Guten zu dienen, und Staatsorgane wie Politik sind Mittel dazu.

3. Aus biologischer Sicht

Wertfrei kann man Demokratie aus biologischer Sicht beschreiben: sie ist dann eine mögliche soziale Organisationsform, mit der sich eine Population erhält und ihren Mitgliedern einen (vorübergehend) effizienten und damit stabilen Rahmen für den Wettbewerb untereinander bietet. Für detailliertere Analysen bisheriger Gesellschaftsformen wäre dann die Hilfe von Historikern zu bemühen.

Jeder Einzelne fragt natürlich, was ihm persönlich Demokratie bringt und was sie ihm abverlangt. Antworten bieten unter anderem die drei skizzierten Perspektiven.

In den meisten Modellen dient Demokratie einer „Elitenauswahl“, einem Wettbewerb der Interessen und Interessenvertreter. Und doch geht es regelmäßig um Herrschaft, um Verfahren, auf Zeit und von den Bürgern (scheinbar) selbst bestimmt an einzelne oder Gruppen Herrschaftsrechte zu übertragen. Annette Elisabeth Töller spricht von „Abgeordneten als (vermeintliche?) ‚Herrscher‘“ und „deutschen Bürgern als diese Herrschaft Legitimierende und ihr Unterworfene“ (Töller 2008: 4)

Auch das, was sich heute Demokratie nennt, ist eine Herrschaftsform. Ein System, um sehr große „Sozialverbände“ von Menschen zu leiten, zu organisieren, zusammenzuhalten – und sich damit von anderen abzugrenzen, mit anderen um Ressourcen zu konkurrieren, eben Herrschaft auszuüben, auch wenn sie längst nicht mehr unmittelbar der eigenen Reproduktion dient. Continue reading